Es muss unsere Schuld sein, wenn die Glocken, die für die Menschheit läuten, nicht einen fröhlichen und harmonischen Klang machen

LD Dr. med. D.Sc. Sergio U. Dani (*)

“We live in a society absolutely dependent on science and technology and yet have cleverly arranged things so that almost no one understands science and technology. That’s a clear prescription for disaster.” ― Carl Sagan

“The fact that an opinion has been widely held is no evidence whatever that it is not utterly absurd; indeed in view of the silliness of the majority of mankind, a widely spread belief is more likely to be foolish than sensible.” ― Bertrand Russell, 1929: Marriage and Morals, Ch. 5

Die Coronavirus-Pandemie machte erneut etwas Beunruhigendes für die Menschheit deutlich: Die Hegemonie der Unwissenheit in der Führung unseres Lebens. Sofort begannen Millionen von Laien, die Realität selbständig zu interpretieren und Normen mit der Geschwindigkeit des Internets zu diktieren, als wären sie Experten auf dem Gebiet der Epidemiologie und Medizin.

Manche Journalisten, Politiker, Beamter und Opportunisten aller Art zwingen Regierungen oft dazu, extreme, antidemokratische und unwissenschaftliche Massnahmen zu ergreifen, einschliesslich der erzwungenen Eingrenzung der Bevölkerung, die nicht nur die Auswirkungen der Pandemie auf Risikogruppen verschärfen. Sie führen auch Millionen von Menschen zur Arbeitslosigkeit, psychische Krankheiten, Frustration, Hass, Prostitution und Gewalt, und die Gesellschaft insgesamt zur Rezession, Versorgungskrise, Verschuldung und Verschlechterung der sozialen Ungleichheiten.

Die hohe Infektiosität und geringe Letalität des Coronavirus SARS-CoV-2, des Erregers der COVID-19 erklärt, warum es sich schnell auf dem Planeten verbreitet hat, wo es mindestens seit Oktober 2019 im Umlauf ist. Kinder und die meisten gesunden Erwachsenen und älteren Menschen sind nicht gefährdet, an dem Virus zu sterben. Ein Grossteil der Menschen, die sich mit dem Virus infizieren, zeigen nicht einmal Symptome der Infektion. Ein Teil der Infizierten zeigen leichte grippeähnliche Symptome. Patienten mit Komorbiditäten, insbesondere chronischen Lungen- und Herzerkrankungen und schlecht kontrolliertem Diabetes, sowie immunabgeschwächte- einschliesslich älteren Menschen stellen die Bevölkerungsgruppe dar, bei der das Risiko für Komplikationen von COVID-19 relativ erhöht ist.

Ärzte und nur Ärzte sind die Menschen in unserer modernen Gesellschaft, die gezielt dafür ausgebildet sind, Krankheiten zu verhindern, zu diagnostizieren und Kranke zu behandeln. Im einen gut funktionierenden Gesundheitssystem, sollte die überwiegende Mehrheit der Behandlungen erfolgreich und kostengünstig auf dem Grundversorgerebene durchgeführt werden. Allerdings im 21. Jahrhundert glauben immer wieder Disqualifizierte und Unerfahrene aller Art, in der Lage zu sein, die Tätigkeiten und Privilegien der Ärzte einschränken zu können. Das Ergebnis einer solchen Einmischung geht über die Gesundheitsschädigung hinaus und destabilisiert die Wirtschaft und die Gesellschaft selbst.

Die Verantwortung von uns Ärzten ist es, unsere Patienten darüber zu informieren, dass COVID-19 eine Viruserkrankung ist, die leicht zu diagnostizieren und in den allermeisten Fällen – seltene schwere Verläufe begegnen uns ja auch bei anderen Erkrankungen – leicht zu behandeln ist, ohne dass drastische Prophylaxemassnahmen erforderlich sind, die von manchen Regierungsleuten, Politikern, Journalisten und sogar einigen ärztlichen Kollegen, die oft nicht über eine ausreichende wissenschaftliche oder medizinische Qualifikation verfügen, von der Bevölkerung gefordert werden. Die Folgen dieser ungerechtfertigten Massnahmen sind eine Reihe von schädlichen Kollateraleffekten für das bio-psycho-soziale Wohlbefinden der Bevölkerung, Effekte, die eine grössere Wirkung haben als COVID-19 selbst.

Wir Ärzte haben die Pflicht, jede willkürliche Massnahme gegen unsere Patienten sowie gegen uns selbst zu kritisieren, unsere Patienten und Kollegen zu erziehen und zu schützen, indem wir unsere wissenschaftlichen, technologischen und menschlichen Fähigkeiten in ihren Sinnen einsetzen, besonders wenn unsere qualifizierte Interpretation der Realität nicht gerade dem Main-Stream entsprechen.

Wie Albert Camus schrieb, ist „die Rolle des Arztes die eines Zeugen – authentisch die Realität der Menschheit zu bezeugen und sich gegen die Schrecken der politischen Untätigkeit auszusprechen…. Das einzige Verbrechen, das der Unmenschlichkeit gleichkommt, ist das Verbrechen der Gleichgültigkeit, des Schweigens und des Vergessens.” [1]

Die Äusserung unserer Meinung ist zulässig, als Ärzte sind wir berechtigt, eine andere Meinung zu vertreten als die herrschende, wenn immer wir es für richtig halten. Wir dürfen niemals zulassen, dass irgendjemand, insbesondere unqualifizierte Menschen, Regierungen oder Ideologien, in unsere Berufsausübung eingreifen oder sich in die Arzt-Patienten-Beziehung einmischen.

Wir Ärzte sind die einzigen, die für die Vorbeugung, Diagnose und Behandlung der Gesundheitsprobleme unserer Patienten verantwortlich sind, und wir müssen diese Verantwortung durchsetzen, unter Androhung des Vorwurfs der Nachlässigkeit, des Kunstfehlers und sogar des Schadens.

“Die Schlussfolgerung, die wir aus einer analytischen Untersuchung der Unterschiede zwischen uns und anderen Tieren ziehen können, ist sicherlich diese: dass die Glocken, die für die Menschheit läuten, – die meisten jedenfalls – wie die Glocken der Alpenkühe sind; sie sind an unseren eigenen Hälsen befestigt, und es muss unsere Schuld sein, wenn sie nicht einen fröhlichen und harmonischen Klang machen.” [2]

Eine kürzere Version dieses Artikels ist in der Zürcher Ärztezeitung erschienen: Dani SU. Leser-Meinungen. Zürcher Ärztezeitung Nr. 1, März 2021, Seite 14.

(*) LD Dr.med. D.Sc. Sergio U. Dani
Praktischer Arzt FMH, Allgemeinmedizin
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E-Mail: sergio.dani@hin.ch
Tel.: +41 44 262 12 44
www.praxisdani.ch

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Referenzarbeiten:

[1] James Orbinski, An Imperfect Offering: Humanitarian Action in the Twenty-first Century

[2] Peter Brian Medawar. The future of man. Lecture 6, delivered in 1959 and reproduced in Medawar, P. B., The Threat and the Glory. Edited by David Pike, Oxford University Press, Oxford, UK (1991).